Panorama nach Südwest - aus der 28. Etage

Panorama nach Südwest - aus der 28. Etage

Dienstag, 30. März 2010

Nachtrag

Ein langer Tag geht zu Ende.

Wer mehr oder weniger Wichtiges zu den Ereignissen zu sagen hatte, hat sich geäußert. Medwedew, Putin und Kadyrow drohen den Extremisten mit Vernichtung. Und die Userkommentarspalten in den Onlineausgaben der Zeitungen füllen sich mit brackigem Abwasser.

Was kommt jetzt? Abseits der offiziellen Nachrichtenwege wird viel darüber spekuliert, ob nicht der Vorwand zu einem weiteren Tschetschenienkrieg gefunden wurde. Mit dieser Drohkulisse könnte Putin erneut den Präsidentenstuhl für sich beanspruchen. Das klingt zwar nicht einmal ansatzweise nach einer Lösung des Kaukasuskonfliktes, die bitter nötig ist, aber die Massen verbinden mit Putin vor allem Führungsstärke. Der Mann war in der letzten Zeit nie wirklich abseits, obwohl er offiziell Medwedew unterstellt ist. In den Zeitungen ist der Regierungschef viel öfter zu sehen als der Präsident - als hätte Russland klammheimlich das deutsche Modell der repräsentativen Präsidentschaft übernommen.

Der Alltag íst recht schnell eingekehrt, doch die Menschen haben Angst. Schon vor den Anschlägen haben wir mitbekommen, dass viele Moskauer, mit denen wir sprachen, pauschal alle verachteten, die sie mit dem Kaukasus verbinden. Das geläufige Wort für diese Bevölkerungsgruppe ist "Tschernuchi" (die Schwarzköpfe), eine Art "Kanacken". Manche sorgen sich, dass die Wut jetzt in Agression gegen Kaukasier umschlagen könnte.

Wie gehen unsere Kinder damit um? Sie haben feine Antennen, das haben sie schon unzählige Male bewiesen. Wir versuchen zwar, unsere Verarbeitung des Geschehenen von ihnen fernzuhalten, aber unsere Betroffenheit ist präsent. Ein langer Spaziergang in dem großen Park am Ufer der Moskwa sorgte für einen klaren Kopf.

Ein Freund erklärte uns die Sache mit den hohen Taxipreisen. Seiner Ansicht nach liegt es nicht an der Gier der Fahrer. Die meisten Unternehmen seien in Mafiabesitz, und die Fahrer hätten gar keine andere Wahl, als die ihnen von oben vorgeschriebenen hohen Preise zu verlangen. Somit entbehren die Vergleiche mit der unentgeltlichen Beförderung von Verletzten durch New Yorker Taxifahrer nach den Anschlägen im Jahr 2001, die im Internet kursieren, jeder Grundlage.

Hier die Sicht eines anderen Bloggers aus Moskau.

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