Panorama nach Südwest - aus der 28. Etage

Panorama nach Südwest - aus der 28. Etage

Freitag, 26. Februar 2010

Morgen ist Montag - und das an einem Samstag!

In Russland geht man sehr locker mit Feiertagen und Werktagen um. Fällt ein Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag hat man in Deutschland Pech. Hier dagegen geht der freie Tag nicht verloren, sondern wird auf den nächsten Werktag gelegt. So weit, so gut. Manchmal verlangt der Kalender aber tiefergreifende Maßnahmen. Am letzten Dienstag wurde ja der Tag der Vaterlandsverteidiger gefeiert. Um dieses Ereignis gebührend zu begehen, war der Montag als Brückentag auch frei. Aber nicht einfach so. Denn dieser Werktag wurde nur verschoben - auf den nächsten Samstag! Deshalb ist morgen sozusagen Montag. Verwirrt?
Bloß nicht länger darüber nachdenken, es ist einfach so.
Mit dieser Einstellung kommt man in Moskau gut voran. Sie hilft schon beim Beantragen des Visums, bei der Registrierung in Moskau oder schlicht bei fehlenden Kopfkissenbezügen.
Morgen ist also quasi ein ganz normaler Uni-Montag: Seminare finden statt, Büros sind geöffnet und in der Mensa gibt es leider keine Grießkascha - die gibt es nur am Samstag.

Wer die Kopeke nicht ehrt oder die entmachtenen Drachentöter

Eine Kopeke hält den Rubel zusammen. Noch ein russisches Sprichwort. Allerdings wird dieses nicht so wörtlich genommen, wie das mit der Butter. Der Wert einer Kopeke geht nämlich gegen null. 100 Kopeken sind zwar immerhin ein Rubel (cirka 2,5 Cent), dennoch interessieren diese kleinen Münzen mit dem Drachentöter auf der Rückseite kaum jemanden. Überall liegt Geld auf dem Boden, Kleingeld, also eigentlich Kleinstgeld... Im Wohnheim, auf der Straße, in Bussen, Supermärkten oder in der Metro kann man Münzen finden, vor allem natürlich dort, wo bezahlt wird. Fällt jemandem eine Münze auf den Boden, wird das von ihm und allen Umstehenden schlicht und einfach ignoriert. Niemand käme auf die Idee, sich wegen Kopeken zu bücken.
Außer unsere Tochter: sie kriecht auf dem Boden in der Mensa auf allen vieren und kommt mit einer Hand voll Münzen unter der Kasse wieder hervor. Wir haben ihr den Vorschlag gemacht, dass sie sich am Ende von dem Geld selbst etwas kaufen kann. Die Kassiererin wird sich freuen - ein Kilo Kleinstgeld!

Es taut...

Nachdem am Wochenende innerhalb von nur zwei Tagen mehr als 60 cm Neuschnee gefallen sind (!), steigen die Temperaturen jetzt mittlerweile Richtung Gefrierpunkt. Das fühlt sich richtig warm an.
Und es taut. Überall poltert Schnee und Eis von Dächern und Fensterbrettern, es tropft und fließt. Hört sich manchmal an wie kleine Wasserfälle. Die Eiszapfen werden vorsorglich von den Dächern geschlagen. Dann laufen dort oben nah am Rand Männer mit langen Schaufeln herum und hauen mit voller Wucht auf die Dachrinnen. Ist man draußen unterwegs, muss man jetzt schon durch ziemlich große Matschpfützen tasten. Die Farbe der Umgebung wechselt von weiß zu grau. Ich bin gespannt, wie das aussieht, wenn es noch ein bisschen wärmer wird. Frühling ist das aber mit Sicherheit noch nicht, auch wenn das Vogelgezwitscher bei Sonnenschein schon sehr danach klingt.




Das Studium wird jetzt richtig konkret. In den letzten Tagen waren wir zwar auch viel an der philologischen Fakultät unterwegs, aber wieder nur, um zu organisieren, Sprachtests zu schreiben, mit Dozenten zu sprechen, Aushänge und Listen durchzuschauen und so weiter. Nun wissen wir beide, welche Sprachkurse für uns passend sein könnten. Es gibt 11 Leistungsniveaus, man kann aber problemlos den Kurs wechseln, wenn man feststellt, dass es zu einfach oder zu schwer ist. Die Studenten der niedrigsten Stufe haben cirka 16 Stunden Sprachunterricht, die der Gruppe 1 etwas weniger. Viele Studenten schaffen es nicht, den gesamten Sprachunterricht zu besuchen und konzentrieren sich auf die Stunden, die sie für ihre Heimatuni absolvieren müssen und zum Beispiel auf das Projekt für das
Go-East Stipendium vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD).
Erst wurden wir so in zwei Gruppen eingeteilt, dass sich die meisten unserer Unterrichtszeiten überschnitten. Da aber nur Nata einen Platz im Uni-Kindergarten bekommen wird und Janek nicht, ging das so nicht. Jetzt bin ich in einer anderen Gruppe, da sind die Zeiten besser. Seba wird wahrscheinlich nur so viele Russisch-Stunden nehmen, wie passen, so dass ich die volle Anzahl mitnehmen kann. Um diese ganzen Stunden herum kann Seba dann seinen anderen Unterricht bauen. Er möchte lieber in die richtigen Seminare, statt so viele Stunden Sprachunterricht zu machen. Die Kurse für die ausländischen Studenten beginnen erst am 1.März. Dann wird es ernst. Jeder Tag wird richtig voll sein mit Unterricht, vielen Hausaufgaben, der Arbeit am Projekt und dem Alltag mit unseren Kindern. Wir werden sicherlich mehr als die erste Woche experimentieren müssen, wie wir das am besten unter einen Hut bekommen.
Und dabei nicht vergessen, zu lächeln! Wenn wir entspannt bleiben, lässt sich das viel einfacher packen!

Dienstag, 23. Februar 2010

(Über)Vollpension

Es gibt ein russisches Sprichwort: Mit der Butter verdirbt man den Brei nicht. Flüssige Butter findet man in der russischen Küche überall. Zum Beispiel auf der allmorgendlichen Kascha. Das ist eine Art Milchbrei. Leicht gezuckert, mal mit Gries, Reis oder Buchweizen. Schmeckt auf jeden Fall viel besser als es aussieht. Ein Teller kostet 20 Rubel, cirka 50 Cent. Ein sehr nahrhaftes und billiges Frühstück. Die Alternative in der Stolowaja (Mensa) ist entweder etwas Warmes (meist Kartoffeln und Fleisch) oder belegte Brote. Die nennt man allgemein "buterbrody", auch wenn gar keine Butter drauf ist. Eine normale Stulle mit Wurst heißt dann "buterbrod s kolbasoj". Witzigerweise wird ein richtiges Butterbrot bezeichnet mit "buterbrod s maslom". Diese Brote sind ziemlich teuer. Es ist eben einfach umständlicher, wenn jemand jede Brotscheibe extra belegen muss, als wenn einer in dem Riesentopf Kascha rührt. Das finde ich sehr angenehm in Russland: die Preise orientieren sich wirklich am Aufwand.


So sah unser Mittag für zwei Erwachsene und zwei Kinder  in den ersten Tagen aus. Wir mussten erst einmal alles probieren und waren nur am Essen. Für zwei volle Tabletts haben wir um die 350 Rubel bezahlt (cirka 8,50 €). Mittlerweile siegte die Vernunft und wir haben uns bei 250 Rubel (6 €) pro Mittag eingependelt.


Es gibt immer viele verschiedene Vorspeisen und Salate, daran könnte ich mich wirklich gewöhnen. Aber Vorsicht: manchmal ist so ein Schälchen teurer als eine Hauptmahlzeit. Wir haben noch nicht so richtig herausgefunden, was wieviel kostet. Es gibt zwar eine Übersicht, aber da hier jede Komponente extra berechnet wird, sind das mehrere Blätter. Meist ist in der Schlange keine Zeit, da durchzublicken. Der lange Kassenzettel besteht auch nur aus vielen Nummern und Preisen. Nehme ich zum Beispiel einen schwarzen Tee mit Zucker und Zitrone wird berechnet: heißes Wasser, Zitrone und Teebeutel. 
Das Hauptgericht besteht meist aus Kartoffeln, Nudeln oder Reis und Fisch und Fleisch in allen Variationen. Es ist oft ziemlich fettig. Aber man kann sich aus all den Vorspeisen, Beilagen, Fleischsorten und Soßen sein Essen selbst zusammenstellen und ist nicht angewiesen auf "Essen 1, Essen 2, Essen 3".
Im Hauptgebäude gibt es immerhin 14 Mensen und Cafeterien (nur hier in diesem Haus!). Überall ist so viel Betrieb, dass die Gerichte immer frisch aus der Küche kommen. Nach zwei Wochen kann ich sagen: durchweg gute Qualität! Manches schmeckt etwas mehr nach Mensa, und vieles schmeckt aus dem großen Topf noch besser. Mich erfreut in dieser Jahreszeit besonders die Fülle an frischen Kräutern. Damit wird bei keinem Essen gespart. Schon gar nicht auf der Pizza.


Natürlich darf in Russland der Nachtisch nicht fehlen - süß, bunt und sehr abwechslungsreich:

Montag, 22. Februar 2010

Wäschewechsel

Heute ist Wäschewechsel - benutzte Handtücher und Bettwäsche vom Wohnheim können gegen saubere Wäsche getauscht werden. Dazu ist alle zwei Wochen Gelegenheit. Bekannt gegeben wird das durch Aushänge auf den Etagen und am Fahrstuhl. Die Wäscherei hatten wir ja schon gefunden. Wir also wie die Vollprofis mit unserer Tüte voll Bettzeug die Treppen runter bis ganz unten in den Waschkeller. Dort wurden wir gleich von einem deutschen Studenten angesprochen, der uns auf Anhieb als Anfänger entlarvt hatte. Er erklärte uns, dass wir die Bettbezüge wahrscheinlich nicht einfach so abgeben könnten, sondern nur ordentlich zusammengelegt. "Sie werden zwar gleich sowieso auf einen Haufen geschmissen, aber das müsst ihr so machen, damit sie sehen, dass alles komplett ist." Einen Versuch war es wert, dachten wir und stellten uns trotzdem mit der Tüte an: Fehlanzeige, bitte falten! Wir beeilten uns, in dem schmalen Gang die großen Bezüge zu falten. Währenddessen bildete sich eine Schlange Wartender mit Vollprofi-Faltstapeln, wir stellten uns wieder hinten an. Fertig gelegt flog auch unser Stapel auf den Haufen. Dafür bekamen wir eine rote Marke. Da wir ja nun sowieso schon als Neulinge bekannt waren, trauten wir uns noch, nach einem zusätzlichen Kopfkissenbezug zu fragen. (Wir hatten von der Wohnheimbetreuerin unserer Etage ein drittes Kopfkissen bekommen.) Der Mann schüttelte den Kopf und verwies auf "Eta komandantu." Aha, nicht er ist zuständig, sondern wir müssen "Damit zum Kommandanten". Mit der roten Marke gingen wir zum Raum nebenan, dort bekam man die neuen Bezüge. War das der Kommandant? Wir fragten nach dem dritten Kopfkissenbezug. Der Mann vom ersten Raum drängte sich in den Gang um wieder "Eta komandantu." zu rufen. Eine große Hilfe war er nicht. Aber wir wussten nun, wer auf jeden Fall nicht der Kommandant ist.
Morgen wird der Tag der Beschützer des Vaterlandes gefeiert, da werden sicherlich einige Kommandanten unterwegs sein. Wir versuchen unser Glück!
Bis dahin schlafen wir auf neuem, frisch gestärktem und gestempeltem (!) Bettzeug. Gute Nacht!

Was in Deutschland "Schneechaos" heißt, nennt man hier Winter

Oh, eine Webcam ist zugeschneit! Das entspricht wirklich sehr gut der Situation: Schnee, Schnee, Schnee. Genau so haben wir uns Moskau vorgestellt. Klischeehaft. Aber auch die Leute hier sagen, es sei einer der schwersten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Und wir sind hier. Wie passend!




Der aktuelle Gewinner in der Kategorie "Gewaltigster Eiszapfen".

Der Wind brachte den Schnee sogar zwischen die Fenster!

Sonntag, 21. Februar 2010

Webcams - Moskau jetzt auch direkt!

Schon die Webcams entdeckt?
Gleich rechts oben die kleinen Bilder. Sie lassen sich mit einem Klick vergrößern.
Die obere Kamera steht ziemlich weit im Norden Moskaus und zeigt gut, wie das Wetter hier gerade ist.
Uns gefällt die, weil man viel Grün sieht.
Der Klassiker ist allerdings die untere Webcam. Das ist eine große Kreuzung in der Moskauer Innenstadt. Man geht in Moskau nicht umsonst unter den großen Staßen hindurch, anstatt sie zu überqueren. Seht selbst.

Freitag, 19. Februar 2010

Es schneit...

... diesmal aber richtig! Den ganzen Tag lag Moskau unter Schnee und Wolken versteckt. Alle eben geräumten Plätze und Straßen sind wieder weiß, sogar Treppen ganz verschwunden.



In den letzten Tagen konnten wir viel über den Winter in Moskau lernen. Sonne und Wolken wechseln sich im Moment immer tageweise ab. Heute war es richtig "warm", nur minus 4 °C. An den Straßenrändern türmt sich der Schnee.

 

Parkende Autos haben schlechte Karten.


Vom einfachen Schneeschieber bis hin zu schweren Maschinen - Hauptsache der Schnee ist weg.

 

Abseits der Wege sieht es wunderschön winterlich aus. Dort sinkt man dann richtig tief ein. Übrigens: Schneemänner sucht man vergebens - alles Pulverschnee.

 

Das links oben ist der gewaltigste Eiszapfen, den ich je gesehen habe. Er ist locker zwei Meter lang. Mal sehen, wie weit er noch wächst, wir haben ihn vom Fenster aus im Blick.

 

Feiertag und minus 25 °C...

Neuigkeiten aus der Kategorie Papierkram:
Wir sind nun wirklich vollständig in Moskau registriert - ab jetzt wird die Stadt unsicher gemacht! Bevor man nicht alle Papiere komplett hat, um sich auszuweisen, ist es für die Miliz nicht schwer, Bußgelder zu verhängen. Deshalb wurde uns geraten, erst dann richtig unterwegs zu sein und bis dahin nur in der Nähe der Uni zu bleiben. Alle Fotos sind bisher also nur hier im Umfeld entstanden. Das richtige Moskau kommt noch!

Und weil es doch so schön ist, noch einmal der Blick aus unserem Fenster:

Donnerstag, 18. Februar 2010

Ein Volk von Kindernarren

Die Menschen in unserer Umgebung sind absolut verrückt nach den Kindern. Wir werden oft angesprochen, die Kleinen helfen uns so, Kontakte zu knüpfen. Besonders die Frauen hier schmelzen förmlich dahin. Die Kinder entlocken aber auch selbst dem strengsten Wachmann ein Lächeln. Manchmal treibt diese Narretei  jedoch seltsame Blüten.


Eine Frau, die in der Stolowaja (Mensa) arbeitet, hat es sich nach der ersten Woche zur Aufgabe gemacht, uns um jeden Preis vor dem Anstehen in der Schlange zu bewahren. Vorgestern kam sie zu uns und griff Katha am Arm, um sie - nicht gerade sanft - aus der Schlange zu ziehen und mit ihr bis nach vorn, zur Essensausgabe, zu gehen. Katha hatte Janek in der Trage und war viel zu verdutzt (ich übrigens auch), um zu protestieren. Die sehr resolute Dame hat sich zwischen drei Recken gezwängt und uns und unsere Tabletts kurzerhand dazwischen gepackt. Uns blieb nur der entschuldigende Blick zu den rüde auseinandergetriebenen 1,85 Meter großen Studis.
Gestern versuchte sie es wieder. Dies war unser Vabanquespiel: entweder wir setzen uns gegen diese entwaffnende Mischung aus enormer Hilfsbereitschaft und wenig Gefühl für Privatsphäre zur Wehr, oder es geht die nächsten vier Monate so weiter. Am Ende wurde es eine Art Kräftemessen: die Frau nahm Janek auf den Arm und stellte sich mit ihm als Druckmittel vorn an die Essensausgabe, hielt uns den Platz frei - und damit den ganzen Verkehr auf... Wir riefen ihr so nett wie möglich zu, sie solle es bitte lassen, wir wollten uns anstellen, wie jeder andere auch. Die etwa 100 Leute in der Schlange und doppelt so viele an den Tischen schauten dem Spektakel zu. Am Ende blieben wir siegreich - nach ca. 5 Minuten (die Schlange wurde immer länger, während die Kassiererinnen nichts mehr zu tun hatten) gab unsere Retterin in der Not auf und gab uns unser Kind wieder (der kleine Verräter - hat die ganze Zeit über herzlich mit ihr gelacht!). Sie ließ es sich dennoch nicht nehmen, eines unserer Tabletts zu tragen und uns einen guten Platz auszusuchen.
Auch bei den anderen Stolowajas (in unserem Jargon die Damen aus der Mensa) sind wir schon bekannt. Sie nehmen sich gern ein Päuschen beim Essenverteilen oder Kassieren, um mit Janek zu scherzen oder Nata ein russisches Wort beizubringen. Wir werden meist beim Bezahlen mit Salfetki (Servietten, die es an der Kasse gleich mit dem Wechselgeld gibt) für die Kinder überschüttet, wobei jeder sonst nur eine zugeteilt bekommt. Am Lustigsten ist immer, dass mit der Begeisterung über die Kleinen die Geschwindigkeit des Sprechens und die Zahl der Komplimente und Anekdoten exponenziell zunehmen. Dann verstehen wir nichts mehr und freuen uns dennoch über die lieben Worte und lächeln einfach.
Auch die Ochranas ("Ochrana" heisst "Sicherheitsdienst", sie sind uniinterne Ordnungskräfte) auf der Etage gehören zum Fanclub. Besonders zwei von ihnen herzen die Kinder bei jedem Treffen und heben sie hoch in die Luft, wobei die Initiative bei den Kleinen lag - sie tasteten sich langsam heran, bis sie sich vollkommen der Gutherzigkeit der beiden Männer sicher waren. Sie sind angesichts der fehlenden Altersgenossen für die Kinder gute Spielpartner - bzw. waren es, denn vorerst sind sie auf Heimurlaub fort.
Die Ochranas arbeiten nämlich im Zweiwochenrhytmus: zwei Wochen in Moskau (12 Stunden Arbeit am Tag in zwei Schichten), zwei Wochen bei der Familie im Hinterland. (Dieses Arbeitsmodell ist in Moskau bei Männern, die (relativ) wenig anspruchsvolle Berufe ausüben, keine Seltenheit.)
Überall, wo wir hinkommen, spüren wir, wie wegen der Kinder die Hilfsbereitschaft und das Entgegenkommen noch zunehmen.

Dienstag, 16. Februar 2010

Vitamin B ist gut für Kindergarten

Unsere Nachbarn haben uns eine frohe Botschaft überbracht: Nata darf für 4 Stunden täglich in die Uni-Kita! Höchstwahrscheinlich. Sie haben einfach in der Kita gefragt und es scheint möglich zu sein. Da wir immer noch nicht vollständig in Moskau registriert sind, muss die Kita-Anmeldung auch noch bis dahin warten. Allerdings: Für diesen Halbtagsplatz müssen wir den vollen Ganztagspreis bezahlen, da die Anmeldung nicht über die Uni läuft, sondern privat sozusagen. Das sind dann knapp 4000 Rubel (cirka 100 €). Zum Vergleich: für Kinder von Studenteneltern kostet sonst ein Ganztagsplatz 480 Rubel (cirka 11 €). Das ist schon ein Unterschied. Wir werden es aber trotzdem hinnehmen. Wir sind froh, überhaupt so schnell einen Kindergarten für unsere Große gefunden zu haben. Jetzt ist sie vormittags unter ihresgleichen und wir haben ein bisschen Luft, um das Studium besser zu meistern.

Montag, 15. Februar 2010

die kleinen Dinge des Alltags

Die erste Woche ist vorbei. Es ist uns, als ob wir nie woanders gelebt hätten. Manche Dinge müssen sich noch entwickeln (zum Beispiel die russische Sprache, der Tagesablauf, das Studium an sich) und vieles ist, als wäre es schon immer so. Das Wochenende verlief sehr ruhig, wir waren viel zusammen, haben das Gebäude erkundet und uns Entspannung gegönnt. Der Sonntag fühlt sich hier schon besonders an, alles ruht irgendwie. Es ist wieder Schnee gefallen, normalerweise wird der binnen weniger Stunden geräumt, ob Tag oder Nacht. Aber am Sonntag durften wir die gedämpfte Winterstimmung etwas länger genießen, bevor am Nachmittag die Traktoren, Bagger und LKW die Schneemassen wegfuhren. Straßen, Wege und ganze Plätze werden hier so gut es geht schneefrei gehalten. Wo wird der ganze Schnee eigentlich hingebracht? Vielleicht lässt sich das in Erfahrung bringen.
Bei unserem Streifzug durch das Haus sind wir bis in die 23. Etage vorgedrungen. Das war spannend: kleine Treppen, niedrige Decken, viele unverschlossene Türen - und ein wunderbarer Ausblick. Leider lag der Fotoapparat exakt 16 Etagen tiefer...
Man kommt im großen Mittelturm übrigens bis zur 33. Etage mit dem Fahrstuhl, wie viele Etagen man noch zu Fuß erklimmen kann, weiß ich nicht. Das Gebäude ist stolze 240 Meter hoch, es war bis in die 1990er Jahre das höchste Gebäude Europas. Der Stern auf der Spitze ist so ausgelegt, dass er sich bei Sturm immerhin vier Meter hin- und herbewegen darf.
Wir haben auch die Wäscherei im Erdgeschoss entdeckt. Dort kann man von 13 bis 22 Uhr (!) seine Wäsche zum Reinigen hinbringen. Noch ist es für uns ganz gut machbar, die Wäsche selbst zu waschen. Aber wenn die Tage erst einmal dichter gepackt sind, werden wir dort häufiger hingehen. Momentan ist die Wäscherei bei uns im Schlafzimmer.


Ich sollte unbedingt mal vom russischen Essen erzählen. Das ist mehr als nur eine Erwähnung wert. Aber erst muss ich die Kamera mit in die Mensa nehmen...

Samstag, 13. Februar 2010

Kinder, Kinder...

Die Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten für die Kinder ist nach der ersten Woche quasi ergebnisoffen.

Wir kamen nach Moskau mit einer bestimmten Einstellung, was das Thema Kinderbetreuung angeht. Wir sagten uns: Betreuung gerne, aber nicht um jeden Preis. Als Alternative zur Kita haben wir in Betracht gezogen, andere Kinder aus dem Wohnheim mit unseren zusammenzubringen. Da es bei russischen Studenten und Aspiranten (anders als bei den auswärtigen Studierenden) häufiger welche mit Kindern gibt, sahen wir kein Problem darin, unsere beiden zu der Kinderhorde auf den Gang zu schicken, damit sich zumindest einer von uns vollkommen zurückziehen kann. Nur: der Flur ist leer, keine Kinder zu sehen.

Die meisten besuchen nämlich unter der Woche Kindergärten. Abgesehen davon wohnen die russischen Familien auf anderen Etagen als die nichtrussischen. Heute - am Samstag - dagegen haben wir einen gänzlich anderen Unibetrieb gesehen: in der Mensa und auch in den größeren Hallen im Hauptgebäude wimmelte es von Eltern mit Kindern! Nur dass es dennoch ein seltsames Bild ist: meist sind die Mütter mit den Kleinsten unterwegs oder mit Mädchen in der Mensa, die Väter gehen dagegen mit den Söhnen (den nicht-mehr-Babys) spielen. Abgesehen davon spielt hier jeder für sich, wobei es für uns eher danach aussieht, dass die Erwachsenen einander meiden, als dass es von den Kindern ausginge.

Allerdings haben wir mit unseren direkten Nachbarn Glück gehabt: entgegen der Regeln bei der Unterbringung im Wohnheim wohnt eine vierköpfige russische Familie hier auf der Etage für auswärtige Studenten. Die Eltern arbeiten beide an der Uni, die Kinder gehen in die Kita und in die Schule. Zunächst war an Kontantaufnahme nicht zu denken: unter der Woche verlassen sie ihre Wohnung gegen halb acht und kommen abends wieder, danach bleiben sie unter sich, sie gehen teilweise etwas rau miteinander um - so unser erster Eindruck. Doch gestern nahmen wir allen unseren Mut zusammen und eine Tafel Schokolade in die Hand und klopften an die Tür. Die Kinder fanden direkt zueinander und fingen gleich zu spielen an, uns Großen dagegen fiel die Annäherung schwer. Das Eis ist nicht gebrochen, es gab vorerst ein kleines Tauwetter. Unsere Absprache ist: die Kinder können klopfen und nach ihren Spielpartnern fragen.

Nun stehen wir also doch vor der Aufgabe, nach einem Kitaplatz zu suchen, vor allem wegen Natalia, die einfach andere Kinder um sich herum braucht. Unsere Nachbarn wollen am Montag in ihrer Einrichtung fragen, ob eine Unterbringung für wenige Monate spontan möglich wäre. Wenn das nicht der Fall sein sollte, bleibt uns nur die Kita in der deutschen Botschaft. Allerdings blieb unsere vor ein paar Tagen gestellte Anfrage unbeantwortet, und in Foren zum Thema heißt es, die durchschnittliche Wartezeit auf einen Platz würde zwischen einem und 1,5 Jahren betragen. Demnach hätten wir nur dann reale Chancen auf Aufnahme, wenn wir die Kita noch vor der Beantragung unseres Auslandssemesters angesprochen hätten.

Freitag, 12. Februar 2010

Von innen


Nun zur Wohnung:
Unsere beiden Zimmer sind riesig - fast doppelt so groß wie die normalen! Wir haben viel Platz, das ist toll. Es ist mir schon fast unangenehm, dass wir so eine Sonderstellung haben. Aber natürlich bin ich froh, dass wir nicht so beengt wohnen müssen.
Die ersten Tage haben wir - neben der Anmeldung etc. - Möbel gerückt und geputzt. Es war wirklich sehr dreckig in der Wohnung. (Ich bin ehrlich gesagt nicht so anspruchsvoll was die Sauberkeit angeht...) Die Zimmer waren fast ein halbes Jahr unbewohnt. Überall lag viel Staub, die Kinder hatten sofort schwarze Knie und Hände. Wir haben versucht, den Boden zu fegen. Es gab im Zimmer einen kleinen Strohbesen, der war allerdings so spröde, dass er dauernd kleine pieksende Splitterchen hinterlassen hat. Die haben wir noch Tage später aus Strumpfhosen, Socken und Wischlappen gepult. Da ist das Ungetüm:


Damit ging es nicht - also haben wir am nächsten Tag einen Handfeger gekauft. Erst dann konnten wir den Boden auch wischen. Am meisten hatte Jan mit dem Dreck zu kämpfen. Er war schon in Berlin etwas erkältet, hatte gerötete Augen. Hier aber haben sich seine Augen erst einmal richtig entzündet, wir sind einfach nicht so schnell mit dem Putzen hinterhergekommen. Jetzt ist alles wieder verheilt und sauber.

Die Möbel haben wir so gerückt, dass wir nun ein Wohnzimmer (rechts) und ein Schlafzimmer (links) haben.



Im Zimmer rechts stehen nun beide Bettsofas mit den dünnen Matratzen, die beiden dicken Matratzen haben wir ins Zimmer links auf den Boden gelegt. Weil wir Glückspilze noch eine dritte Matratze für unser Familienbett bekommen haben, gibt es nun reichlich Platz. Wir schlafen wie zu Hause. Insgesamt haben wir vier Tische und vier Stühle. Im Wohnzimmer können wir an den Tischen arbeiten und essen. Im Schlafzimmer können die Kinder wunderbar toben, da ist Platz.


Richtig genial finde ich die riesigen Wandschränke.


Hier noch der Flur mit Kühlschrank, Wohnungstür und Briefkasten.


Das ist also unser großes "kleines Reich" für die nächste Zeit. Wir fühlen uns wohl und haben uns erstaunlich schnell eingelebt.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Blumen aus Eis

Hab ich ja schon ewig nicht mehr gesehen. Wie schön!


Schade nur, dass die Begrüßungssonne vom Wochenende nicht mehr scheint. Es ist windig und die kleinen Eiskristalle finden ihren Weg durch die Kleidung. Im Haus ist es wesentlich angenehmer, hier kann man überall kurzärmelig rumlaufen.
Im ganzen Wohnheim werden Möbel gerückt, alle sind gerade am Ankommen. Schön, dass hier etwas mehr Leben einzieht, die letzten Tage waren doch eher ruhig. Wir haben bisher auch noch keine Kinder zu fassen bekommen. Aber man munkelt, es gäbe eine Kita auf dem Campus! Da bleiben wir dran. Vielleicht könnten wir wenigstens Natalia für ein paar Stunden unterbringen. Das sind wir ihr schuldig.

Wir sind drin!

Am Montag habe ich die Kinder und uns offiziell an der Uni registriert.
Die Registrierung ist ein Vorgang der staatlichen Behörden. Man will nachvollziehen können, wo und in welcher Funktion der Zugezogene sich niederlässt. Wer sich den Vorgang ausmalen will, denke an seine Steuererklärung - allerdings auf russisch.
Am Montag um elf Uhr habe ich mich bei Julia Juriewna Woronowitsch, der Koordinatorin aus der hiesigen Abteilung für Internationales, eingefunden. Es war ein warmer Empfang, wir haben uns seit den Auswahlgesprächen in Berlin im Dezember nicht gesehen. Im Voraus gab Julia mir den Tipp, vorerst ohne Frau und Kinder zu kommen, ich könne die Registrierung für alle vier erledigen. Also kam ich alleine.
Julia Juriewna (übrigens ist das der Vorname und der Vatersname, diese Anrufung in Verbindung mit einem "Sie" gilt als höflich) gab mir Anweisungen zu den einzelnen Abläufen, was ich vor allem mit "laufen" assoziiert habe - ich sollte mich nicht täuschen. Nebenbei lauschte ich mit halbem Ohr dem Gespräch am Schreibtisch nebenan: eine neu eingetroffene deutsche Studentin gab an, sie wohne vorerst zwei Wochen im Hotel und werde sich in dieser Zeit um eine Wohnung bemühen. Ihre Sachbearbeiterin fragte immer wieder ungläubig, ob es wirklich keine feste Adresse gibt, unter der man sie registrieren könnte. Zum Verständnis: die Anmeldung muss innerhalb von drei Tagen nach Einreise mit festem Wohnort erfolgen, ansonsten gilt man als nicht gemeldet und macht sich strafbar. Die Studentin, die gerade eine Zeit lang in London weilte, konnte sich offenbar nicht vorstellen, dass das Maß an Freizügigkeit von Land zu Land unterschiedlich sein kann.
Nun aber los. Zuerst suchte ich ein winziges Büro in einem Seitenflügel des Hauptgebäudes auf, wo mir und Katha die für einen Tag ausgestellten Propuske verlängert wurden. Ich habe auch Bezugskarten erhalten, nun bewohnen wir unsere Zimmer auch offiziell. Während des ganzen Vorgangs habe ich kaum etwas verstanden, denn die zuständige Bearbeiterin erklärte nichts und trieb mich zur Eile. Erst im Nachhinein konnte ich anhand der mitgenommenen Zettel alles entziffern. Interessant war, dass meine Unterschrift auch für Katha galt.
Weiter zur Philologischen Fakultät. Polina aus dem dortigen Migrationsbüro (jede Fakultät hat ihr eigenes, in der Philologischen ist zu Beginn der Sprechzeiten mit langen Wartezeiten zu rechnen) nahm die Daten von uns allen auf, inklusive der der Kinder. Notiert wurden die Daten von Pass und Visum sowie von der Migrationskarte (die jeder Ausländer bei Einreise in die Russische Föderation ausfüllen muss; eine Hälfte ist bei der Einreise abzugeben, die andere bei der Ausreise). Sie wurden an die russischen Behörden weitergeleitet. Man weiß jetzt, dass wir als Studenten der russischen Philologie hier leben. Auch hier reichte es, dass ich die Papiere von allen dabei hatte und für alle unterschrieben habe.
Mit dem Ausdruck der Datensätze bekam ich auch Rechnungen in die Hand. Damit geht man zur nächsten Bankfiliale. Tückisch ist dabei, dass es weit und breit keine Bankfilialen in der Nähe des MGU-Hauptgebäudes gibt - außer einer, direkt im Inneren des kolossalen Baues. Dort betragen die Gebühren 83 Rubel, also ca. 2 Euro, pro Transaktion, im Vergleich ist das Wucher. Die Anmeldegebühr an sich beträgt 120 Rubel pro Person.
Zum Schluss kehrte ich zu Julia Juriewna zurück und hatte samt der notwendigen Kopien für alles und jeden einen riesigen Stapel Papier in der Hand. Bis dahin sind ca. 5 Stunden Zeit vergangen. Ich war froh, dass sich alles erledigen ließ, ohne dass Katha und die Kinder mit mir warten mussten.
Wir werden eine Abschrift der Registrierung bekommen, die wir immer bei uns tragen müssen. Es ist ein abgetrenntes Stück von einer A4-Seite. Auch die Migrationskarte ist ein kleines Stück Papier, nicht besonders reißfest. Man muss höllisch auf die Dokumente aufpassen, denn bei Verlust oder Unleserlichkeit drohen Strafen. Erst wenn man diese Papiere zusammen mit Pass und Visum vorzeigen kann, kommt man der Ausweispflicht ordnungsgemäß nach.
Übrigens: die Abschrift gibt es erst Anfang nächster Woche, bis dahin sollten wir Fahrten in die City vermeiden, sagte mir Julia Juriewna. Sonst könnten wir uns bei einer Kontrolle nicht ausreichend ausweisen, und das wäre fatal.

Dienstag, 9. Februar 2010

Impressionen


Unser dritter Abend in Moskau, endlich haben wir die Zeitumstellung überwunden - die Kinder schlafen beide um 21 Uhr (fast schon wie zu Hause). Gestern wuselten sie noch unter dem Eindruck des Tages bis Mitternacht. Unsere Reise und Ankunft an der Uni verlief besser, als wir erwartet haben.



Beim Einchecken in Berlin ist die Schlange am Sicherheitscheck monströs, es geht aber flott voran. Das Sicherheitspersonal zeigt viel Verständnis dafür, dass das Auspellen aus den Klamotten mit Kindern viel länger dauert, als bei anderen Passagieren. Für unseren großen Kinderwagen wird keine Extragebühr erhoben (aus Kulanz - ich habe mir sagen lassen, dass dies je nach Situation entschieden wird).

Ich habe Bedenken, ob die Kinder den langen Flug aushalten. Während meiner letzten Reise von Moskau nach Berlin war eine Mutter mit zwei Kindern mit an Bord (deren Alter dem unserer Kinder entsprach), und es war eine Tortur für die Kleinen. Katha hat von Anfang an mehr Zuversicht als ich. Und sie behält Recht. Nata malt die ganze Zeit über Szenen aus der Kita auf eine Kotztüte, und Janek scherzt mit einer russischen Babuschka.

Wo wir bei Tüten sind: wir machen uns Sorgen, weil unser Trolley im Handgepäck drei Zentimeter zu groß ausfällt. Und manche Reisende kommen mit 2-3 Handgepäckstücken an, darunter riesengroße Einkaufstüten! Die Frau neben mir ist so eingebaut, dass ihre Füße den ganzen Flug über auf Höhe des Sitzes auf den Einkäufen ruhen. Der Steward schweigt dazu, er lächelt nur sein "mich-schockt-nichts-mehr"-Lächeln.








In der Halle des Flughafens Scheremetewo das ersehnte Schild mit der Aufschrift "MGU" in den Händen von Ksenja, einer jungen Studentin. Wir wurden gewarnt, dass unsere Helfer aufgrund der Staus verspätet sein könnten. Sie kommen mit zwei Autos. Außer Ksenja noch Wladimir und sein Sohn, ebenfalls MGU-Student, dessen Name mir leider entfallen ist - zu müde zum Merken. Unser Gepäck und das von Roman, der mit uns zusammen geflogen ist, kriegen wir mit Mühe unter. Sie haben sogar bei Freunden einen Kindersitz für Natalia ausgeliehen. Die Sonne ist herrlich, die von Insidern angepriesene trockene Kälte Russlands fühlt sich angenehm an.


Die Staus am Sonntag fühlen sich an wie in Berlin der Feierabendverkehr. Wir vertreiben uns die Zeit, indem wir reden - über alles, Hauptsache auf russisch. Wladimir war mehrmals in Deutschland, als Staatsbediensteter. Katha macht erste Annäherungsversuche an die Sprache. Nata ist guter Dinge und freut sich über alles, Janek ist einfach nur fertig.



Unfall auf der anderen Seite der sechsspurigen Autobahn. Die Straßenmiliz hat den Verkehr bereits gestoppt, der Stau zieht sich kilometerweit. Darin steckt auch die gerufene Kinderambulanz sowie zwei andere Krankenwagen mit Blaulicht. Der Seitenstreifen ist voll mit Geländewagen, die ausscheren wollten und nun ihr Durchkommen blockieren.








Mitten auf der Autobahn bettelt ein Mann auf Gehhilfen zwischen den stehenden Autos um Geld. Wladimir erklärt mir, dass seine Tageseinnahmen an eine Bande gehen, die ihn hier abgesetzt hat. Ich erwidere, dass es im Zentrum Berlins Ähnliches zu sehen gibt - allerdings werden dort junge Frauen mit Kindern aus Osteuropa bevorzugt.







Vor dem Hauptgebäude erwarten uns Iga und Marcin, die unsere Zimmerschlüssel und die Propuske (Pässe für das Unigelände) dabei haben. Wir werden seit der Ankunft lückenlos betreut, bis ins Zimmer helfen sie und die russischen Studenten uns mit dem Gepäck. All das wurde von Julia Juriewna eingefädelt, unserer Betreuerin aus der Auslandsabteilung der MGU.


Wir sind allen Genannten sehr dankbar für den überaus warmen Empfang und die durchorganisierte Hilfe. Ohne so viel Anteilnahme hätten wir die Reise nicht gewagt, und ohne unsere Helfer wären wir in Moskau kläglich gescheitert. Wie ergeht es wohl anderen Familien, die auf gut Glück die Reise ins Auslandssemester antreten? Aber auch in der Vorbereitung haben uns einige Menschen zur Seite gestanden. Ich denke da an Gudrun Jerschow, Dozentin am Institut für Slawistik der HU und unsere Fachbetreuerin für das Auslandssemester; Hannelore Grüneberg aus der Abteilung Internationales der HU; Patricia Goletz und Karolina Kozikowska, die unsere Reise mitbetreuen; viele andere Freunde und Lehrkräfte, die uns geholfen und uns Mut zugesprochen haben. Insbesondere denke ich jedoch an Kathas Familie, die an uns glaubt.
Ihr könnt versichert sein, wir machen das Beste daraus.

Montag, 8. Februar 2010

Erste Ausblicke


Unsere Fenster zeigen genau nach Moskau. Der gesamte Schatten auf dem Foto ist wirklich nur vom Hauptgebäude. Ich muss mir die Wege hier drin gut merken, sonst verlaufe ich mich hoffnungslos.
Dort hinten ist das Herz dieser Millionenstadt, unter einer Dunst-Haube gewissermaßen. Überall sonst ist strahlend blauer Himmel, da fühlen sich minus 15°C wirklich nicht so an! Bei der Sonne steigt die Stimmung, auch wenn es kalt ist. Alles ist riesig, es gibt sehr weite Blickachsen, deshalb erscheinen große Gebäude ganz nah.


Bilder von unserer Wohnung gibt es später, wenn alle Sachen eingeräumt sind :-)

Sonntag, 7. Februar 2010

Angekommen

Wir sind gut angekommen. Durch einen Zufall empfangen wir W-LAN auf dem Zimmer - eine schöne Überraschung... Uns fallen die Augen zu, denmächst gibt es mehr.

Fertig!

Alles gepackt und geordnet. Wir haben tatsächlich ausgereizt... Es sind wirklich 120 Kilo geworden. Morgen früh um 9:50 Uhr geht unser Flug. Langsam werde ich hibbelig. Die nächste Nachricht von uns gibt es dann schon aus Moskau.

Donnerstag, 4. Februar 2010

Ich hab noch einen Koffer in Berlin - Einen?!


Das ist unser Koffervorrat. Wir werden sicher nicht alle brauchen. 
Vielleicht ist es auch bald einer weniger, wenn Jan so weiter macht.

Mittwoch, 3. Februar 2010

Auslandsstudium? Wozu das alles?

Diese Frage wird sich der eine oder andere von Euch verehrten Lesern wohl schon gestellt haben.

Zunächst einmal: ich studiere Slawistik und Katha Lehramt. Das Auslandssemester in Russland ist obligatorischer Teil meines Studiums, beziehungsweise wäre obligatorisch, denn bislang kann bei berechtigten Gründen eine Ersatzleistung erbracht und auf den Auslandsaufenthalt verzichtet werden. Offiziell sind nach meinem Kenntnisstand als Gründe vertretbar: schwere physische oder psychische Störungen und Kinder. Wobei die Auslandspflicht derzeit abgeschafft wird. Künftig werden auch Russisten akademische Grade erreichen, die nie einen Fuß in das Land gesetzt haben, dem ihr persönliches und wissenschaftliches Interesse gilt.

Und genau das wollte ich mir nicht nachsagen lassen. Alternativen hierzu wären gewesen, vier Monate Trennung auszuhalten oder gemeinsam zu gehen, als vollwertige Studenten (denn mitreisende (Ehe)Partner kennt unsere Gasthochschule nicht). Und so ist es auch gekommen.


Gibt es noch weitere Motive? Ja, die gibt es. Ich will sie mal aufzählen (ohne, dass die Reihenfolge mit ihrer Wertigkeit zu tun hätte).

Kulturelles Interesse: aus einer Enttäuschung (Russisch studieren, obwohl ich mich für Englisch beworben hatte) erwuchs mit der Zeit Zufriedenheit und später sogar Freude über die mir angebotene Notlösung. Ich bin voller Bewunderung für die russischen Leistungen und gleichzeitig sprachlos angesichts des Zustandes der dortigen Gesellschaft und ihres geschichtlichen Werdegangs. Ich freue mich auf den von westlichen Lesarten unverhüllten Blick. Für Katha ist die Reise in ein Land, dessen Sprache sie durch ihre Polnischkentnisse zwar einigermaßen versteht, aber kaum sprechen kann, wie ein zweites Mal erwachsen werden. Nata malte schon vor einem Jahr Zwiebeltürme und nannte sie "Moskau". In den letzten Tagen war sie gespannt wie eine Feder und fragte ständig: "Wie heisst das auf russisch?". Janek - alles wie gehabt, Schränke zum Ausräumen gibt es überall.

Forschungsarbeit: Wir beide haben als Teil unserer Bewerbungen jeweils ein Forschungsprojekt vorgestellt, das die bisherigen Schwerpunkte unseres Studiums zur Grundlage hat. Ich werde die Sprache der russischen Massenmedien auf bestimmte Schlüsselwörter hin untersuchen, in denen ganze Diskurse zusammengefasst werden und die die russischen Befindlichkeiten und Einstellungen gegenüber Europa betreffen. Zum Vergleich: die deutsche Mediensprache bedient sich im Umgang mit Russland solcher Schlüsselwörter wie Putinismus, Gasstreit usw., die zwar eine Vorstellung von den dahinterliegenden Diskursen geben, aber oft aus Gründen fehlender Sattelfestigkeit vorgeschoben werden. Katha betrachtet die Rolle Polens als eines (diskursiven) Raumes, der sich sowohl in Richtung Deutschland als auch in Richtung Russland ausdehnt. An der Art, wie in Deutschland bzw. Russland über Polen geschrieben wird, kann man auch die Einstellung des einen Polennachbars gegenüber dem anderen ablesen. Katha wird untersuchen, ob sich am russischen Polendiskurs die Einstellung Russlands zu Deutschland ablesen lässt - und wenn ja, mit welcher Tendenz.

Neuerfindung: und zwar unsere eigene. Wir sind nicht mehr "nur" ein studierendes Pärchen, sondern eine Familie von vier Personen. Unsere Träume und Ziele haben sich geändert und wir schauen bereits auf die Zeit nach dem Studium. Eine Auszeit von unserer angestammten Umgebung hilft uns dabei, dass jeder von uns den ihm gebührenden Platz und seine Rolle in dieser neuen Konstellation findet.

Es ist genau Mitternacht. In ca. 82 Stunden beginnt für uns das größte Abenteuer, auf das wir uns bisher eingelassen haben. Außer vielleicht der Kinder. Und unserer zweisprachigen Partnerschaft. Und unserer Pläne für die Zeit nach der Uni. Naja, eigentlich ist es so weltbewegend auch wieder nicht. Oder?

Dienstag, 2. Februar 2010

Wie Ostern und Weihnachten auf einmal!

Wunderbar! Wir bekommen einen KÜHLSCHRANK!!! Das ist DIE Nachricht des Tages. Denn ein Kühlschrank ist keinesfalls üblich. Ich hätte nicht gedacht, dass sich jetzt schon einer auftreiben lässt, noch bevor wir überhaupt in Moskau angekommen sind! Aber manchmal lösen sich Probleme, noch ehe sie entstehen. Großen Dank an Frau Woronowitsch - die Koordinatorin für ausländische Studenten an der MGU. Sie kümmert sich rührend um uns. Wir sind wirklich willkommen, das ist ein schönes Gefühl. Von Anfang an hatten wir den Eindruck, dass unser Aufenthalt zur Herzensangelegenheit erklärt wird. Da es in der 50jährigen Geschichte der Partnerschaft von der HU Berlin und der MGU Moskau noch keine reisende Familie gab, betreten nicht nur wir Neuland.

Ach, übrigens: es schneit.